Meeting mit Mut: Easy Work in Easy Chairs
Meine Schwester entwarf in ihrem früheren Leben hochwertige Küchen für einen süddeutschen Qualitätshersteller. Damals, und das liegt schon sehr, sehr lange zurück, sagte sie einmal, nachdem verschiedene Modelle auf einer Messe präsentiert worden waren: Jeder kommt an unseren Stand und findet unsere knallrote Küche toll. Und gekauft wird dann weiß oder grau, denn die Sorge ist, dass man sich an dem rot „schnell absieht“.
Grau hieß damals genau genommen: Anthrazit mit Perleffekt. Dieses Modell stand in praktisch jedem Haushalt meiner Heimatregion – oder zumindest dort, wo man sich das leisten konnten. Denn dieses Modell, das mit seinem Metallic-Look einem Auto ähnelte, kostete bereits damals etwa so viel wie ein Mittelklassewagen des Herstellers, der ebenfalls heute noch meinen Heimatort prägt.
Was für ein witziger Begriff, sich „schnell abzusehen“. Meine Schwester pflegte zu sagen: Bei weiß und grau hätte man sich von vorne herein schon abgesehen – wolle aber nur keinen Fehler machen…ob das dann besser wäre?
Ich denke über „Einrichtungsmut“ nach. Heute ist erlaubt, was gefällt, zumindest im privaten Bereich, und in unserem Bekanntenkreis wird von dieser „neuen Freiheit“ reichlich gebrauch gemacht, in den Häusern und Wohnungen treffen sich Eames, Vodder – und der alte Biedermeiersessel von Oma – in trauter Harmonie.
Aber im professionellen Umfeld? Bei uns bekannten jungen Unternehmen sind wir mit wilden Kompositionen aus den 50ern, 60ern und 70ern, dem alten Cordsofa der Eltern aus dem Keller und dem niedlich-nutzlosen Nierentischchen vom Vintage Store bestens vertraut…die Fabriketagen der Startups in Friedrichshain übertreffen sich schier in ihrem Eklektizismus und in ihrer Farbenfröhlichkeit – und scheuen keinen noch so dramatischen Stilbruch.
Unser Auftrag jedoch kam nicht von einem Shared Office Pop Up Loft aus Berlins neuer kreativer Mitte – sondern von einem alteingesessenen Traditionsunternehmen im Berliner Westen. Dass ein solches Unternehmen es mit unserem hyggeligen Stil angehen möchte, das fand ich sehr mutig.
Einige Eckdaten waren schnell definiert: Goldocker, Leder und unsere (wirklich mutige!) Ranke müssen sein. Der Rest musste gefunden werden. Wir fanden: 2 bequeme Easy Chairs, deren Oberflächen nicht lackiert, sondern geschliffen und geölt worden waren, was dem Holz eine besonders schöne Optik und Haptik verleiht.
Einen Teaktisch mit grober Schieferplatte, den wir eigentlich nicht hergeben wollten, weil er einfach wunder-wunder-wunderschön ist. Eine Stehlampe im schwarzen Retro Stil; ein Senator Sofa von Ole Wanscher, für das wir die Lederbezüge mit viel Aufwand aufarbeiten ließen.
Und dann kam die große Herausforderung: Ein Boden aus typischer Office-Auslegware. Acryl-lackierte Glasfasertapete an den Wänden. Neonröhren an der Decke. Nicht ungewöhnlich für ein klassisches Büro der Gegenwart. Aber kann daraus jemals eine hyggelige Lounge werden?
Viele Gespräche und Gedanken später fanden wir folgende Lösungen: Für die Wände zwei markante Bilder: Ein großformatiges Dyptichon („Öresund“, Fotodruck auf Leinwand) und „Hier Leben. Da Kunst.“, Acryl auf Leinen, Sabine Kluge) – und ein dunkles Schiebesystem, das einen unschönen Wandheizkörper verdeckt – und gleichzeitig das künstliche Neonlicht bricht.
…und für den Boden: Eine großzügig mutige Insel aus Flokati.
Ein ungewöhnlicher Ort für dienstliche Angelegenheiten.
Was sagen die Mitarbeiter?
„Bereits am ersten Tag nach einrichten der Lounge wurden sämtliche Besprechungen dort hin verlagert“ – und eine Mitarbeiterin scherzte, sie würde nach Feierabend das gesamte Interieur zu sich nach Hause abholen lassen…
Der Raum heißt übrigens – Nomen est Omen – „Kopenhagen“. Und liegt mitten in Berlin. Danke, 3B, für die Gelegenheit und wunderbare Zusammenarbeit!
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