Fundstück Nr. 3: Scandinavian Design – Vitamine aus Schweden
Pubertier Nummer Eins bereitet sich mit mäßigem Engagement auf das Abitur vor. Auf den eigenen, Jahrzehnte zurückliegenden Schulunterricht zurück blickend, erinnern wir uns an all das nützliche und weniger nützliche Wissen, das die Generation X noch in den Köpfen zu haben hatte. Während die Generation Z – hier im Haus durch zwei prachtvolle Exemplare vertreten – große Anteile ihrer kostbaren Jugendzeit auf die philosophischen Frage ver(sch)wendet, warum man sein Gehirn mit unnützen Fakten füllen sollte; schliesslich wüsste das weltweite Netz doch alles, und stünde damit allzeit bereit. Zum Beispiel Erkenntnisreiches aus dem Bio-Leistungskurs der Art: „Die Gelbfärbung im Obst stammt von den Carotinoiden – sie schützen die Pflanzenzellen vor möglichen UV-Strahlenschäden. Grün stammt vom Chlorophyll – es gilt als das Blut der Pflanzen. Für die Rotfärbung ist das Lycopin verantwortlich – ein Antioxidantium.“
Anita Nylund, Tochter des legendären schwedischen Keramik Künstlers Gunnar Nylund (1904 – 1997) hat die Gelb-, Rot- und Grünfärbung der Natur nicht naturwissenschaftlich, sondern ausgesprochen sinnlich in ihrer Keramik Serie „Vitamina“ eingefangen. Die quadratische Schale, 30×30 cm, aufgelegt in einer Kleinserie von 40 Stück, durchnummeriert und handsigninert, habe ich kurz nach dem Mauerfall auf dem unvergesslichen Flohmarkt am Reichpietschufer entdeckt. Zu einer Zeit, als dort, wo heute die manhattaneske Häuserschlucht des Potsdamer Platzes prangt, eine grosse Sandwüste das Niemandsland zwischen ehemals Ost- und ehemals Westberlin markierte. Und zu einer Zeit, in der ich noch keine Ahnung von skandinavischem Design und seinen Schätzen hatte. Für unseren Pop Up Store im Bikini Berlin , der von 13. Mai bis 9 Juli 2016 mit allerlei skandinavischen Fundstücken der Mid Century Ära aufwartet, habe ich die Schale im eigenen Haus „wiederentdeckt“.
Für Jie Johnson in Gantofka, die vielleicht berühmtesten Keramikmanufaktur Schwedens, gestaltete Anita in den 1960er Jahren eine Vielzahl ikonischer Gebrauchs- und Ziergegenstände. Heute betreibt sie in Skåne/Staffanstorp die „Kunst und Design GAN“. Der Ort scheint kein Zufall – scheint er doch das schwedische Designmekka zu sein. Gerade geht im Hamburger Völkerkundemuseum eine Ausstellung zu Ende, die sich ausschließlich dem Design aus dieser Region widmet.
Während „Vitamina“ sicher zu den Ikonen ihres Schaffens gehört, nennt die Keramikerin heute manches ihrer künstlerisch weniger anspruchsvollen Werke „ihre Jugendsünde„. Dazu gehören beispielsweise die pittoresk bis kitschigen Serien „Unsere kleine Stadt“, „Familie Pfeffer Sohn“, „Prism“, „Cookies“ und „Janssons Versuchung“.
Offenbar keineswegs als Jugendsünden betrachtet Anita Nylund ihre verflossenen Liebhaber:
So malt die 85jährige heute als zentrales Motiv und mit sinnlicher Leidenschaft … die Portraits ihrer Jugendlieben. Und warum male sie Bilder ihrer Liebhaber, fragt die Autorin des Skånska Dagbladet 2015 die Hochbetagte? „Warum nicht? Ich nenne sie meine Erinnerungen. Allein der Gedanke an sie bereitete mir schon das allergrößte Vergnügen.“
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